Die Zeitbank 55+, eine neue Form der Zusammenarbeit – bald auch in unseren Gemeinden?

Ab Mitte April soll von Loosdorf ausgehend ein neuer Verein, die Zeitbank 55+, in unserem Bezirk etabliert werden. Ziel ist, dass die Mitglieder untereinander kleine Aufgaben und Hilfeleistungen, die früher unter Nachbarschaftshilfe gelaufen sind, übernehmen. Mit Zeitkonto. Man verdient also Zeit, die auf einem Zeitkonto verwaltet wird, und die man bei Bedarf selbst wieder einlösen kann. Gedacht als Hilfestellung, um den Senioren möglichst lange eine hohe Lebensqualität zu sichern und als passende Lösung, wenn man eine Betreuung durch das niederösterreichische Hilfswerk noch nicht braucht, der eine oder andere Handgriff aber schon schwer fällt. 

Die Initiatorin in der Gemeinde Fallbach, Susanne von Stietencron, selbst in Pension und zugezogen, hat sich schon länger mit Formen des Zusammenlebens im Alter beschäftigt. Dabei ist sie auf ein Modell gestoßen, das in Oberösterreich schon viele Jahre mit großem Erfolg betrieben wird. Die Idee der Zeitbank 55+ wurde im Zuge einer Regional-Neuplanung entwickelt. Derzeit bestehen in Österreich, Deutschland und Tschechien an die 80 Zeitbankgruppen, der Dachverband wird von Herrn Ammer in Schlierbach (OÖ)  geleitet. Fritz Ammer hat bei seinem Vortrag im November 2017 in Loosdorf  80-90 Mitglieder als optimale Größe einer Zeitbank genannt, hier kann man von den Erfahrungswerten anderer Gruppen profitieren.
Die wesentlichen Merkmale einer derartigen Hilfsgemeinschaft bestehen nicht nur im Sammeln und wieder Verbrauchen von Zeiteinheiten. Es geht vielmehr um zwei weitere Säulen des Gelingens der Zeitbank 55+: Die Arbeit wird als eine sinngebende erlebt, es macht einfach Freude, zu helfen  und mit den stundenweisen Gefälligkeiten den Kontakt zwischen Nachbarn zu vertiefen. Daraus ergibt sich schon die dritte Säule: durch den intensivierten Kontakt wächst Vertrauen und damit Sicherheit, weil ich meine Nachbarn gut kenne. „Die höchste Mauer und der dichteste Zaun werden die Angst vor dem Unbekanntem nicht lindern. Das einzig hilfreiche Mittel ist, sich vertraut zu machen“, versichert Susanne von Stietencron.
In der Praxis hat sich bewährt, wenn die Vereinsmitglieder ihr Können und ihre Fähigkeiten, ihr Angebot also, und ihre Anfragen an die Zeitbank bekannt geben. Dort wird vermittelt und so soll jedes Mitglied für bestimmte Aufgaben 5 oder 6 Ansprechpartner zur Verfügung haben. Auf Anruf sollte wenigstens ein Teilnehmer Zeit haben, über die Feiertage die Blumen zu gießen oder auf den Hund aufzupassen oder während eines Spitalaufenthaltes den Rasen zu mähen.
Genauso wichtig kann die Zeitbank 55+ für jüngere „Zuagroaste“ sein, die noch niemanden kennen. Durch das Zusammenarbeiten wird die Aufnahme in den Ortsverband gefördert und hilfreiche Hände werden stundenweise die Kinderbetreuung  übernehmen oder mit Werkzeug unterstützen. Zugezogene haben eben nicht die Möglichkeit, auf die Großfamilie im Hintergrund zurückzugreifen.

So sind sowohl Josef Kerbl, Bürgermeister der Gemeinde Fallbach, und auch sein Vorgänger Karl Nagl von der Idee der Zeitbank 55+ überzeugt. Karl Nagl kann sich sogar eine Ausweitung auf das „Land um Laa“ vorstellen.

Früher, bevor die großen Maschinen in den Dörfern Einzug gehalten haben, war es für die Dorfbewohner überlebenswichtig, sich auf einander verlassen zu können und zusammen zu arbeiten. Vielleicht kann die Zeitbank 55+ wieder einen Schritt in diese Richtung erwirken.

Haben Sie Fragen zu diesem Thema?
Sie können Susanne von Stietencron persönlich kontaktieren unter
+43 6991 26 07 010